Page 25 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, Oktober-Ausgabe 2025
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AKTUELLES
verbringen. Naturbilder, Zimmerpflanzen oder der Blick aus kann und sowohl für die Psyche als auch für den gesamten Kör-
dem Fenster helfen schon (Ohly, 2016). per wohltuende Entspannung und Regeneration bietet.
3. Psychoevolutionäre Theorie (Ulrich, 1984): Wir fühlen uns Die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes lässt sich mit
wohl in der Umgebung, die schon unsere Vorfahren kannten. dem Begriffspaar „Waldbaden“ und „Waldtherapie“ genauer be-
Sie bezieht sich auf die lernpsychologischen Mechanismen, die schreiben und in den Anwendungsbereichen abgrenzen. Ange-
uns Überleben und Fortpflanzung gesichert haben. Studien sa- bote, die primär der Gesundheitsvorsorge und Stressreduktion
gen, dass bestimmte Naturräume uns besonders entspannen: dienen, werden dem „Waldbaden“ zugeordnet. Liegt eine kon-
Bäume, Lichtungen, Vogelgezwitscher, Wassergeräusche, Pilze krete medizinische Indikation vor, welche durch therapeutische
und Früchte – wen wundert es? – waren dies doch die besten Maßnahmen behandelt wird, sprechen wir von „Waldtherapie“
Voraussetzungen für Nahrung und Sicherheit unserer Vorfahren im eigentlichen Wortsinn.
– und dieses Wissen gaben sie uns über die Gene weiter.
Ulrich führte 1984 eine Krankenhausstudie durch, in der er Kurse mit Zertifikat
nachweisen konnte, dass naturnahe Elemente in Kranken-
haus postoperativen Patienten gleich doppelt halfen: Der Forstsektor hat die Gesundheitspotenziale des Waldes er-
a. Sie kamen mit weniger Schmerzmitteln aus. kannt und zusammen mit der Universität Rostock und mit der
b. Sie wurden schneller gesund und konnten eher entlassen Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein Fortbildungsangebot
werden. entwickelt, das in der Fachrichtung „Waldtherapie“ ausbildet. Das
Zur effektiven Wirkung von Achtsamkeitsübungen in der Natur Kursangebot besteht seit 2021 und hat deutschlandweit Thera-
auf psychische Stabilisierung und die Resilienz liegt die Ab- peuten eine neue Perspektive und Methode zur Begleitung ihrer
schlussarbeit der Rostocker M. Sc. Psychologin Kathi Pristrom Patienten eröffnet. Die Kurse sind zertifiziert und abrechenbar.
vor (Pristrom, 2019). In einer abgestimmten und erprobten Kombination aus Präsenz-
und Selbstlernphasen werden in beiden Zertifikatskursen vielfäl-
Gesundheitsfaktor „Bewegung“ tige medizinische, didaktische und forstliche Inhalte vermittelt
und mit vielen praktischen Übungen im Wald vertieft und er-
Das besondere Gelände und der abwechslungsreiche Waldbo- probt. Der nächste Kurs findet von April bis Juni 2026 statt. Für
den trainieren unser Bewegungssystem und fördern unsere Ko- einen Schnupperabend am 25. November 2025 und den Kurs
ordinationsfähigkeit. Aufenthalte im Wald in Kombination mit können Sie sich unter waldtherapie@lfoa-mv.de anmelden. Infor-
sanften Bewegungen, Atmungs- oder Achtsamkeitsübungen füh- mationen für den Kurs finden Sie unter: https://www.wald-mv.
ren zum Herunterfahren des sympathischen und zur Aktivierung de/walderlebnis/gesundheit-und-erholung/Waldtherapie/
des parasympathischen Nervensystems. In der Folge verlang- Die Absolventen der „Waldtherapie“ erhalten das medizinische,
samt sich unsere Herzfrequenz, der Blutdruck sinkt und die Ver- gesundheitspsychologische, forstwirtschaftliche und didakti-
dauungs- und Regenerationsprozesse werden angeregt. Das Er- sche Wissen, um die heilende Wirkung des Waldes auf die körper-
gebnis: weniger Stressempfinden, mildere Angstzustände und liche und seelische Gesundheit in Therapiekonzepte zu integrie-
ein gestärktes Immunsystem. ren. Die Anwendung ihres waldtherapeutischen Wissens erfolgt
Überall im Wald gibt es etwas zu entdecken: Starke Sinneserfah- zum Beispiel in Bereichen der Rehabilitation, der psychothera-
rungen und das besondere Waldklima helfen uns dabei, uns peutischen Versorgung von Erwachsenen, im Bereich der Kinder-
selbst wahrzunehmen und unsere Bedürfnisse besser kennenzu- und Jugendpsychiatrie, in der Suchttherapie oder in der thera-
lernen. Ein Aufenthalt im Wald wirkt sich positiv auf das Immun- peutischen Arbeit mit Menschen mit Behinderung.
und Hormonsystem aus und unterstützt die Heilung von Atem- „Waldbaden“ kann als achtsamkeitsbasierte Therapie ab Janu-
wegserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen ar 2027 in Kliniken unter der KTL-Nummer F071 abgerechnet
des Bewegungsapparates und neurologischen Erkrankungen werden.
(Schuh/Immich, 2022). Der Wald setzt ins uns etwas in Bewe- Kathi Pristrom, M.Sc. Psychologin
gung. Er schenkt uns frische Lebenskraft (Park, 2010). DRV Rehaklinik Göhren , www.naturwohlsein.de
Therapie ohne Risiken und Nebenwirkungen Literatur:
Der Gesundheitsraum Wald ist eine lebendige und dynamische
Umgebung, die tiefgreifende Veränderungsprozesse anstoßen
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